Die Rohstoff-Woche - KW 38/2010: Chinas Griff nach Minenprojekten intensiviert sich
Vorbei scheint scheint die Zeit, als man sich mit druckfrischen USD-Noten bei Rio Tinto einkaufen wollte, als diese kurz vor dem finanziellen Kollaps stand. Meist standen Chinas Übernahmeplänen die Aktionäre oder Regierungsgewalten gegenüber, die eine Übernahme verhinderten. Doch China hat dazu gelernt und geht die Sache nun diplomatischer an. Das heißt jedoch nicht, dass China jetzt einfach den westlichen Ländern ausweicht und sein Heil im "armen" Afrika sucht und dieses ausnutzt, wie es in vielen Medien immer gerne dargestellt wird.
Sieht man sich einmal alle chinesischen Übernahmen und Akquisitionen seit Anfang 2005 an, so stellt man fest, dass an erster Stelle bei den Übernahmen das Vereinigte Königreich, Sitz vieler ausländischer Rohstoffunternehmen mit einem Investitionsvolumen von 16 Milliarden USD steht. Dahinter folgt Australien mit 12 Milliarden. Gerade Australien, dass die Deals um Rio Tinto und die beiden Seltene Erden Explorer Lynas und Arafura verhinderte ist sonst doch ziemlich offen für chinesische Dollars.
An dritter Stelle folgen Kanada mit einem Volumen von acht Milliarden USD und danach die Mongolei und Brasilien mit etwa je vier Milliarden USD. Erst danach folgen die Investitionen, die China in Afrika tätigte, also dem Kontinent, der angeblich ja schon fast komplett von China aufgekauft wurde - sofern man einigen Massenmedien Glauben schenken darf. In Gesamtafrika gab China in den vergangenen fünf Jahren gerade einmal fünf Milliarden USD für die Akquisition von Minenprojekten beziehungsweise die Übernahme von Bergbaugesellschaften aus. Wie gesagt in Gesamtafrika, genau genommen in 15 verschiedenen Ländern!
Ich hätte da noch ein paar beeindruckende Zahlen für Sie: 13 Milliarden USD gaben chinesische Unternehmen in 2009 für Akquisitionen und Übernahmen im Rohstoff-Sektor aus. Das war genau 100-mal so viel wie noch in 2005. 2010 wurden bis dato knapp 80 Deals im Umfang von 8,3 Milliarden USD geschlossen. China ist damit mittlerweile für die meisten Rohstoff-Übernahmen weltweit verantwortlich. 2009 gingen schon 35% des Werts aller weltweiten Rohstoff-Akquisitionen auf das Konto chinesischer Unternehmen.
Mit entscheidend für den Übernahmeboom ausländischer Rohstoff-Unternehmen durch chinesische Firmen war und ist die Finanzkrise. Diese bewirkte, dass viele Rohstoffunternehmen keine Kredite mehr bekamen. In der Folge konnten sich chinesische Unternehmen beinahe ungehindert viele Projekte mit strategischen Mineralien wie etwa Eisenerz, Molybdän oder auch Nickel sichern. 2009 waren an einem Drittel aller Rohstoff-Akquisitionen chinesische Unternehmen beteiligt. 2007 lag diese Quote gerade mal bei 7,5%, 2004 gar nur bei einem Prozent. In Australien allein war China an 40% aller Übernahme- und Akquisitions-Deals im vergangenen Jahr beteiligt.
Zu dieser Statistik trägt jedoch auch ein Strategiewechsel der chinesischen Übernahmeinteressenten bei. Während man bis dato immer versuchte, Unternehmen mittels Staatskonzernen komplett zu übernehmen, sind jetzt auch kleinere und mittlere Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe sowie chinesische Fonds mit an Übernahmen beteiligt. Diese versuchen verstärkt über Joint-Venture-Abkommen und kleinere Beteiligungen an ihre jeweiligen Ziele zu gelangen.
Der Erfolg dieser neuen Strategie gibt den Chinesen absolut Recht.
Denn eines wissen westliche Rohstoff-Unternehmen mittlerweile genau: Wenn du Geld für dein Projekt brauchst, dann sieh dich nach einem chinesischen Investor um. Die chinesische Regierung selbst ist fast schon dazu gezwungen, ausländische Übernahmen immer weiter voranzutreiben. Denn immerhin konsumiert China ein Drittel der gesamten weltweiten Kupfer-Produktion und gar 40% aller geförderten Basismetalle. Zudem produziert das Riesenreich die Hälfte aller Stahlerzeugnisse weltweit. Ebenso zwingt die Preispolitik westlicher Rohstoff-Unternehmen China regelrecht zu einem Übernahmekrieg.
Dies führte auch dazu, dass China plötzlich mehr Risiko bei seinen Rohstoff-Investments eingeht. Akquirierte man vor einigen Jahren ausschließlich Unternehmen und Projekte, die bereits produzierten, so sichert man sich jetzt in zunehmendem Maße Projekte, die sich erst im Entwicklungsstadium befinden. Die kosten zwar in der Regel weniger, sind dafür aber auch risikoreicher, da teilweise noch nicht einmal eine Basisressource nachgewiesen werden konnte. Doch China scheint zu ahnen, dass die aktuelle weltweite Nachfrage nach strategischen Rohstoffen erst der Anfang dessen ist, was da noch kommen könnte. Und so zeigt China mehr Mut zum Risiko und kauft fast alles, was auch nur nach einer Ressource riecht.
Das bekommt seit Kurzem auch Kanada zu spüren. In Toronto sind nämlich weltweit die meisten Explorationsgesellschaften gelistet. So gibt es mittlerweile sogar Explorer, die sich ein Projekt suchen und sich dann an der TSX listen lassen, mit nur einem Ziel: sich von einem chinesischen Unternehmen aufkaufen zu lassen. Einer Studie zu Folge würden sich 80% aller, an der TSX gelisteten Rohstoff-Unternehmen gerne einen chinesischen Partner an ihrer Seite wünschen. Vor drei Jahren war es dagegen nur ein Drittel aller Unternehmen.
Es scheint also durchaus so, dass in Zukunft rohstofftechnisch nicht mehr Kanada, Australien, Russland oder die USA das Maß aller Dinge sein werden, sondern China. Und das sowohl bei der Nachfrage als auch bei der Produktion von Materialien. So ist China beispielsweise für 50% der weltweiten Stahlherstellung verantwortlich. Weiterhin ist China an über einem Drittel des gesamten Akquisitions- und Übernahmevolumens im Rohstoffbereich beteiligt. Und diese Spirale dreht sich immer schneller.
In den kommenden Jahren könnte sich China schon die Hälfte aller jährlich laufenden Übernahmedeals im Rohstoff-Sektor sichern. Anleger sollten dabei die Scheu vor dem chinesischen Drachen verlieren, denn es hat sich gezeigt, dass mittlerweile keine Dumpingpreise mehr für Rohstoffübernahmen gezahlt werden und dass selbst ein Unternehmen, das eigentlich keine Chance auf eine eigene Projektfinanzierung hat, noch einen ansprechenden Übernahmepreis erzielen kann, selbst wenn es von Chinesen übernommen wird. Und paradoxerweise ist es gerade die noch immer nicht ganz ausgestandene Finanz- und Wirtschaftskrise, die Rohstoff-Unternehmen und ihren Aktionären bei einer Übernahme in die Karten spielt.
Das Zitat der Woche:
"Unsere Technologie ist eine Re-Innovation auf Basis fortschrittlicher Entwicklungen des Auslands, die wir angepasst haben." - Liu Zhijun (*Januar 1953 in Ezhou, Hubei) ist ein chinesischer Politiker. Er ist seit 2003 Eisenbahnminister der Volksrepublik China und begleitete früher das Amt des Vizepräsidenten und höchsten Zugleiters bei Chinese Railways. Das obige Zitat ist Zhijuns Meinung über chinesische "Eigenentwicklungen" im Hochtechnologiebereich.
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© Tim Roedel
Die Rohstoff-Woche
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