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Die Rohstoff-Woche - KW 43/2010: Erhalten wir bald Atomstrom aus China?

23.10.2010  |  Tim Roedel (Rohstoff-Woche)
Der Uranpreis konnte in dieser Woche erneut zulegen, von 48 USD je Pfund U3O8 auf 49,25 USD. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Vor allem aber China scheint mehr und mehr zum Zugpferd des Uranpreises zu werden. Immerhin wird der rote Drache am Ende des Jahres rund 5.000 bis 6.000 metrische Tonnen Uran gekauft haben. Mehr als das Doppelte seines aktuellen Jahresbedarfs. Daneben hat China in diesem Jahr mit dem Uran-Major Cameco einen 10-Jahres-Vertrag über die Lieferung von insgesamt 10.000 Tonnen Uran abgeschlossen. Darüber hinaus schlossen chinesische Konzerne mit weiteren 10 kanadischen Unternehmen Urandeals ab. Teils zur direkten Uranlieferung, teils zu Projektbeteiligungen.

Damit kauft China in diesem Jahr etwa ein Zehntel der weltweiten Uranproduktion auf, obwohl das Land nur etwa ein Vierzigstel der weltweiten Atomreaktoren betreibt. Das führt sogar dazu, dass mehrere Uranproduzenten (darunter auch Cameco) sogar selbst Uran am Spot-Markt aufkaufen. Die Absicht dahinter scheint klar: das Uran zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen. Warum sollte man das machen, gibt es nicht genügend Uran auf der Erde? – Das gibt es tatsächlich, allerdings lässt es sich nicht zu den aktuellen Marktpreisen abbauen.

Darüber hinaus werden nur etwa 70% des weltweiten Bedarfs aus der aktuellen Produktion gedeckt. Der Rest stammt aus abgerüsteten russischen Atomwaffen. Die haben den Uranpreis seit spätestens Mitte der 1990er Jahre künstlich unten gehalten und damit die Entwicklung und Etablierung neuer Uranminen weitestgehend verhindert. Vor allem die USA könnten in Kürze Probleme bekommen, sind gerade sie es, die zwar große Uranvorkommen besitzen, jedoch nur noch aus etwa einem Dutzend Minen fördern und lediglich 5% ihres Uranbedarfs aus eigener Produktion decken können.

Denn 2013 läuft die Verpflichtung Russlands aus, die Uranbestände aus seinen abgerüsteten Atomwaffen auf dem freien Markt zu verkaufen. Diesen, in den 1990er Jahren geschlossenen Vertrag will Russland nach eigenen Angaben auch nicht weiter verlängern. Russland hat selbst ein ambitioniertes Atomprogramm und wird die eigenen Uranbestände selbst zum Betrieb der aktuellen und zukünftigen Atommeiler benötigen. Zumal bereits 80% aller Atomwaffen bereits abgerüstet wurden. Geplant ist die Abrüstung weiterer 5%, was für die künftig zu erwartende Nachfrage nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten dürfte.

Wenn das Angebot aus abgerüsteten Atomwaffen schrumpft, dann muss zwangsläufig der Bedarf aus laufenden Minen gedeckt werden. Dies scheint jedoch leichter gesagt als getan. Wie bereits oben beschrieben, wurde die Entwicklung neuer Minen in den letzten 15 Jahren sträflich vernachlässigt. Etablierte Minen und zukünftige Projekte wie ERAs Ranger Mine, BHPs Olympic Dam Mine und Camecos Cigar Lake - und MacArthurRiver - Minen haben vielfältige Probleme mit Grundwasser, Unfällen oder allgemeinen Produktionsrückgängen. Neue, größere Minen in Namibia, Malawi oder Kasachstan werden einen steigenden Bedarf nur zum Teil abdecken können. Nur die Eröffnung weiterer Uranlagerstätten wird den steigenden Bedarf ab frühestens 2015 bis 2017 befriedigen können.

Und gerade diese zusätzliche Nachfrage könnte gewaltig sein. Allein China will bis 2020 mehr als 50 weitere Atomreaktoren bauen, bis 2030 sollen es sogar 160 werden. Indien plant seine Atomenergiekapazitäten zu verzehnfachen. Und auch Russland, Brasilien und mehrere weitere Länder hegen ernsthafte Ambitionen hin zu einer enormen Erweiterung ihrer Atomanlagen.

All denjenigen, die eingefleischte Atomkraft-Gegner sind, sei gesagt, dass man sich in Deutschland in die eigene Tasche lügt, wenn man davon ausgeht, dass ab 2030 bereits ein Großteil unseres Energiebedarfs aus den regenerativen Energien stammen wird. Und das vor allem noch ohne größere Zusatzkosten für alle Strombezieher. Bereits ab 2011 wird die so genannte Ökostrom-Umlage von jetzt 2 auf dann 3,5 Cent je Kilowattstunde steigen. Und dies wird nur der Anfang sein.

Bis zu einer Billion Euro wird die Vernetzung der nationalen europäischen Stromnetze kosten. Diese ist notwendig, um den wetter- und zeitlich bedingten regenerativen Ökostrom speichern und zu schwachen Kapazitätszeiten anzapfen zu können. Solarkraftwerke funktionieren nur bei Helligkeit, Windenergie gibt es nur bei windigem Wetter. Und die Kosten für die Beschaffung der regenerativen Energien, also die Solarpanels und Windturbinen sind in oben genanntem Betrag noch nicht einmal mit eingerechnet. Mittlerweile geht man davon aus, dass sich der Strompreis pro Kilowattstunde wegen all der notwendigen Anschubfinanzierungen bis zum Jahr 2020 verdoppeln wird!

Und das alles nur, weil man keinen Atomstrom mehr will. Auch nicht mehr für lediglich noch 20 bis 30 Jahre. Solange, bis sich die regenerativen Energien bezahlbar etablieren können. Andere Länder denken da anders. In Frankreich und Großbritannien will man neue Kraftwerke bauen. Und auch die einstmals so strikten Atomkraftgegner Schweden und Italien überlegen einen Wiedereinstieg beziehungsweise haben diesen bereits beschlossen.

Spätestens dann, wenn die Kilowattstunde Strom immer teurer wird, weil die Ökostrom-Umlage zwangsläufig angehoben werden muss, wird der Aufschrei groß sein. Und gerade die, die jetzt gegen eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke sind, genau die werden auch dann wieder am lautesten schreien. Dann jedoch werden Länder wie China den Uranmarkt beherrschen und eventuell gerade die Chinesen es sein, die uns billigen Atomstrom nach Deutschland exportieren. Nichts anderes würde übrigens bei Abschaltung der deutschen Reaktoren passieren. Denn dann müssten wir den Strom eben aus Frankreich importieren. Und dort kommt dieser - richtig! - aus Atomkraftwerken!


Das Zitat der Woche:

"Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbes ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen." - Walther Rathenau (* 29. September 1867 in Berlin; † 24. Juni 1922 in Berlin-Grunewald) war ein deutscher Industrieller, Schriftsteller und liberaler Politiker (DDP). Er wurde als Reichsaußenminister Opfer eines politisch motivierten Attentats der Organisation Consul.

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