Die Rohstoff-Woche - KW 34: Von Rezessionen und Aufschwüngen
Dabei liegen die ersten Indikatoren bereits seit einigen Wochen vor - sich häufende Übernahmen oder zumindest Übernahmeversuche. Warum sollte ein Minenunternehmen ein anderes Minenunternehmen (ob bereits Produzent oder noch in der reinen Explorationsphase macht dabei zunächst wenig Unterschied) übernehmen, mit der Aussicht auf ein baldiges Ende der Rohstoffhausse? Würde wenig Sinn machen, oder? Zumal ja in den Vorständen von BHP oder Xstrata keine Rohstofflaien sitzen, sondern zumeist (Ausnahmen beziehungsweise Ausreißer nach unten gibt es in fast jeder Firma) Experten auf ihrem Gebiet, die den Markt im Blick haben und dessen Entwicklung relativ genau einschätzen können.
So nutzten also gerade größere Minenunternehmen die Gunst der Stunde und kauften kräftig Konkurrenten, Nachbarn oder aussichtsreiche Explorer zu unschlagbar günstigen Preisen auf oder unternahmen zumindest den Versuch dazu.
BHP Billiton wollte (und will?) den Konkurrenten Rio Tinto schlucken, Goldcorp. Kaufte den Nachbarn Gold Eagle für schlappe 1,5 Milliarden kanadische Dollar auf, Xstrata bietet 9,8 Milliarden US-Dollar für Lonmin, First Quantum sichert sich Scandinavian Minerals und damit das aktuell größte, bekannte Nickelvorkommen Europas in Finnland und Kinross Gold will Aurelian Resources übernehmen. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, die Anzahl der Spekulationen über weitere Mögliche Übernahmen explodiert förmlich.
Dies alles sind sicherlich keine Anzeichen für ein baldiges Ende der Rohstoffhausse, sondern vielmehr Investitionen in die Zukunft, sozusagen “Schnäppchenschlagen mit Weitblick“.
In der aktuellen Woche verdichteten sich die Anzeichen für ein baldiges Ende der durchaus notwendigen Korrekturphase. So konnten sich alle Edelmetalle von ihren zwischenzeitlichen Tiefs erholen. Gold stieg deutlich über die 800 Dollar - Marke, Silber kratzt wieder an 14 Dollar pro Unze, Platin und Palladium stehen ebenfalls besser da als vor einer Woche. Und auch bei den Basismetallen scheint sich etwas zu regen. Nickel machte einen Sprung von annähernd 3.000 Dollar auf zuletzt 21.300 US$, Zink überwand die 1.800 Dollar-Marke und Kupfer bläst erneut zum Angriff auf 8.000 US$.
Das sind sicherlich alles in erster Linie einmal Momentaufnahmen, eine gewisse allgemeine Aufhellung der Stimmung an den Rohstoffmärkten ist jedoch bereits deutlich spürbar. Sind das nun - wie in der letzten Rohstoff-Woche vermutet - erste Vorboten einer Normalisierung der industriellen Produktion und der weitestgehenden Entspannung der Energiekrise in China nach Beendigung der Olympischen Spiele oder aber vielleicht erste Vermutungen über Maßnahmen eines neuen ersten Mannes in den Vereinigten Staaten?
Denn eines ist sicher, egal ob der neue Präsident Obama oder McCain heißen wird, er wird - wie allgemein üblich – nach der Wahl zunächst einmal Wahlversprechen erfüllen - und ein heruntergewirtschaftetes Amerika des Amtsvorgängers Bushs mit vielen Milliarden sanieren müssen. Ein Fakt, das aktuell noch von nahezu niemandem so richtig beachtet wird. Ein Aufschwung der US-Wirtschaft (für wie lange bleibt abzuwarten) scheint dabei unausweichlich und dürfte Ängste um eine bevorstehende Rezession zunächst einmal bei Seite schieben.
Um den gesamten Rohstoffbereich weiterhin schlecht zu reden, bleibt das Schreckgespenst Rezession aber natürlich erst einmal noch ein probates Mittel, den Mainstream - beeinflussten Anlegern das Geld aus der Tasche zu ziehen und damit auch kleinere Minenunternehmen mit aussichtsreichen Projekten für ein Butterbrot aufzukaufen. Dass zu erwartende Milliardeninvestitionen der Regierung in den USA nicht sofort greifen werden ist klar, doch sollte man spätestens Ende 2009, Anfang 2010 auf der Hut vor einer wieder steigenden US-Wirtschaft sein.
Die Amerikaner selbst scheinen das ganze Spiel schon eher zu durchschauen. So rechnet man in den USA mit einer Inflationsrate von 4,8% für Mitte 2009, im ersten Quartal lag dieser Wert noch bei etwa 5,2%. Für 2013 (also etwa 5 Jahre voraus) wird eine Inflationsquote von 3,2% erwartet, während man im ersten Quartal noch von 3,4% ausging. Wie gesagt, es handelt sich dabei um eine repräsentative Einschätzung der US-amerikanischen Bevölkerung, nicht der US-Regierung. Dies sind zwar Schätzungen auf hohem Niveau, eine gewisse Trendumkehr von Rezessionsängsten hin zum Hoffen auf einen Aufschwung unter einem neuen Präsidenten scheint aber vorhanden zu sein. Nebenbei erwähnt beginnt 2013 ja schon die übernächste Amtszeit eines US-Präsidenten und auch da werden sicherlich wieder milliardenschwere Geschenke verteilt werden.
Zurück zum aktuellen Marktgeschehen:
Warum ist eigentlich der Platinpreis in den letzten Wochen so stark eingebrochen? Nun, man sollte zunächst wissen, dass jährlich weltweit etwa 8 Mio. Unzen Platin gehandelt werden. Für 2008 gingen Experten von einem Angebotsdefizit in einer Range von 200.000 bis 600.000 Unzen aus, was eigentlich zu weiter ansteigenden Preisen hätte führen müssen. Auch die Nachfrage aus China im Juli und Anfang August blieb relativ konstant. Doch welcher Faktor bedingte nun den starken Rückgang des Platinpreises der letzten Wochen?
Des Rätsels Lösung liegt - so berichten die Experten der UBS - in der massiven Liquidation von Platinbeständen innerhalb der letzten beiden Monate in Höhe von etwa einer Mio. Unzen. Allein über 200.000 Unzen stammen aus ETF-Beständen, die aus spekulativen Gründen verringert wurden. 300.000 Unzen stammen aus Liquidationen an der Tokyo Commodity Exchange (TOCOM), 400.000 von der Nymex und ein weiterer großer Brocken von der OTC. Diese massiven Verkäufe sprengten natürlich sämtliche fundamentalen Nachfragen nach dem Edelmetall. Trotz Gerüchten über eine bessere Substituierbarkeit von Platin und dem günstigeren Palladium innerhalb der Automobilindustrie, rechnen die Experten der UBS schon in Kürze wieder mit anziehenden Platinpreisen.
Unterdessen vermeldete Pallinghurst Resources, dass man in 2009 mit der Platinproduktion in Südafrika beginnen will. Inwieweit das den Platinmarkt weiter unter Druck setzen kann bleibt fraglich, denn eine produzierende Firma mehr in Südafrika macht die Energiekrise bestimmt nicht einfacher. In Südafrika liegen übrigens drei Viertel aller weltweit bekannten Platinreserven. Ein schmaler Grat, auf dem Südafrika und der Platinmarkt da gerade wandert.
Aluminium bewegt sich weiterhin unterhalb der 2.800 Dollar Marke und scheint momentan noch nicht wieder in die Gänge zu kommen. Hauptgrund hierfür ist sicherlich der weitere Anstieg der LME-Lagerbestände, die in dieser Woche so hoch stiegen wie seit 2004 nicht mehr.
Der australische Zink- und Bleiproduzent Perilya vermeldete diese Woche, dass man sowohl sein Personal als auch die Förderung beider Metalle auf Grund gesunkener Rohstoffpreise um jeweils etwa die Hälfte zurückfahren wird. Dass sinkende Produktionszahlen manchmal besser sind als steigende zeigte die Reaktion der Anleger: der Kurs von Perilya legte um knapp 9% zu.
In China bleiben die Olympischen Spiele weiterhin ein Thema, nicht nur aus sportlicher Sicht. Bekannt ist, dass einige Stahlverarbeiter ihre Produktionskapazitäten auf Grund des enormen Energiebedarfs rund um die Olympiastätten reduzieren mussten. Dies verdeutlicht auch die Aussage einer Analystin aus Peking selbst, die für den September mit einem Anstieg der Stahlproduktion um 15% gegenüber August rechnet. Das sollte sich dann natürlich auch bei anderen Rohstoffen wie Eisen, Nickel und Kokskohle positiv auswirken.
Alles in allem scheint sich die Baisse-Stimmung an den Rohstoffmärkten mehr und mehr wieder in einen Aufwärtstrend umzukehren. Ob es sich dabei nur um eine kurze Verschnaufpause auf dem Weg zu den nächsten Lows handelt oder ob die Korrektur der letzten Wochen und Monate allmählich ein Ende gefunden hat, kann wie immer nur vermutet und auf die Für und Widers spekuliert werden. Jedoch weisen einige Frühindikatoren - wie geschildert - eher auf das einstweilige Ende der großen Talfahrt hin.
© Tim Roedel
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