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Die Rohstoff-Woche - KW 47: Wo ist der Boden?

22.11.2008  |  Tim Roedel (Rohstoff-Woche)
Börsenbrand, du böser Geist, auch wenn du mich zu Boden reißt, ich stehe auf, du boxt mich nieder, ich kotz dich aus und sauf dich wieder!!!

Zugegebenermaßen keine besonders schmeichelhafte Einleitung in einen seriösen Wochennewsletter, jedoch beschreibt dieses, ein klein wenig umgeschriebenes “Gedicht“ eines unbekannten Verfassers recht gut die allgemeine Situation an den weltweiten Börsenplätzen über alle Epochen hinweg. Im Endeffekt geht es nach jeder Krise wieder weiter, gelernt wird aus gemachten Fehlern jedoch meist nicht viel. Was wir uns in der gegenwärtigen Situation nun fragen, ist: Wann schlagen wir denn nun auf dem genannten Boden auf, von dem wir wieder die Chance nutzen können uns abermals aufzuraffen?

Die amerikanischen Autobauer werden mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Boden mehr finden, da ihnen die geforderte Stützung durch den US-amerikanischen Staat wohl vorenthalten bleiben wird. Der Grund dafür klingt einleuchtend: das Geld würde wohl in irgendwelchen Kanälen verschwinden, während seine Wirkung verpuffen würde. Wie man zu dieser Vermutung gelangt ist relativ einfach: General Motors-Chef Rick Wagoner, sein Ford-Kollege Alan Mulally und Chrysler´s CEO Robert Nardelli waren zur Anhörung und Beratung über mögliche Finanzspritzen im US-Kongress im Privatjet in die Hauptstadt geflogen. Allesamt aus Detroit, jeweils für geschätzte 20.000 Dollar. Dass es allein diese Tatsache selbst den Regierenden in Washington schwierig macht, die Zahlung von Milliarden an Steuergeldern an die angeschlagenen Autoriesen zu rechtfertigen, liegt auf der Hand. Das Schreckgespenst namens “Gläubigerschutz“ rückt auch gerade deswegen immer näher. Dass die aktuelle Absatzkrise zum großen Teil hausgemacht ist hatten wir bereits in vorhergehenden Ausgaben der Rohstoff-Woche aufgezeigt.

Die jüngsten - man kann sie ruhig als Katastrophenergebnisse bezeichnen - der Autobauer beziehungsweise deren angeschlossener Händler (30% weniger verkaufter Autos im Oktober im Vergleich zum Vorjahresmonat bei amerikanischen Autobauern und -15% bei den europäischen) lassen unter anderem für die Nachfrage nach Platin und Palladium aus dem Automobilsektor eigentlich nichts Gutes erwarten.

Trotz dieser beunruhigenden Zahlen, die unbestritten hausgemacht sind, da die Autobauer einfach zu wenig in spritsparende Fahrzeuge investiert haben und viele ihrer produzierten Vehikel wohl für nicht einmal die Hälfte des Katalogpreises losbekommen würden, geht der angesehene Londoner Chemiekonzern Johnson Matthey nicht von einem Rückgang der Nachfrage nach Platin auf das Gesamtjahr 2008 gerechnet aus.

Allerdings scheint es so, als würde der Platinmarkt noch stärker von der Automobilbranche abhängig werden. Während die Gesamtnachfrage nach Platin in 2000 nur zu lediglich 35% aus der Automobilbranche kam, waren dies bereits 45% in 2003 und 55% in 2007. Für dieses Jahr wird erwartet, dass etwa 58% allen nachgefragten Platins in die Automobilbranche geht (vor allem in den Katalysatoren-Bau).

Eine erschreckende Zahl, angesichts des sich bereits in der Entwicklung befindlichen Produktionseinbruchs beim Neuwagenbau. Der hohe Anteil der Automobilbranche an der gesamten Platinnachfrage (trotz immer besserer Substituierbarkeit von Platin durch das kostengünstigere, da häufiger vorkommende Palladium) hängt vor allem damit zusammen, dass die Schmuckindustrie immer weniger Platin nachfragt und diese fehlende Nachfrage auch durch die Nachfrage von Anlegern (vor allem in Münzenform) nicht ausgeglichen wird.

Trotz dieser angesprochenen Substituierbarkeit von Platin durch Palladium in immer mehr Bauteilen (vor allem in Katalysatoren) zeigt sich auch bei eben diesem Palladium kein besseres Bild der Lage. Auch Palladium ist stark von der Automobilbranche abhängig (55% allen nachgefragten Palladiums wird in Fahrzeugen verbaut), die Bedeutung von Palladium im Bereich der Schmuckindustrie ist in den letzten Jahren sukzessive zurückgegangen und die Nachfrage nach Palladium aus Investmentgründen ist (noch?) zu unbedeutend.

Eine klare Prognose, wie es mit den beiden Edelmetallen weitergehen wird ist deshalb nicht abzusehen. Viele Zeichen deuten allerdings daraufhin, dass die Entwicklung der beiden Metalle kurz- bis mittelfristig wenig “Edel“ sein wird. Erst wenn die Automobilindustrie wieder in Schwung kommen sollte, dürften auch Platin und Palladium wieder besser abschneiden. Übrigens relativ unabhängig davon, ob man weiter auf den klassischen Verbrennungsmotor setzen sollte oder sogenannte Zukunftsenergien auf den Markt bringen wird. Ganz ohne Platin und Palladium wird es nicht gehen.

Nicht viel besser sieht es im Bereich Aluminium beziehungsweise der Produktion desselben aus. So wurde im Oktober sowohl in Nordamerika und Afrika, als auch in Ozeanien, also in Australien die Produktion gedrosselt. Besorgniserregend ist laut der Royal Bank of Scotland allerdings die Tatsache, dass auch in China die Aluminiumschmelzen weniger Aluminium herstellten - 2,6% weniger als noch im Oktober 2007 und das, nachdem die Produktion in den vier vorhergehenden Monaten noch rapide gestiegen war. Weitere, globale Produktionskürzungen im November und darüberhinaus scheinen laut den Experten der RBS unausweichlich und auch notwendig, zumal die LME-Lagerbestände in diesem Jahr um nahezu 800.000 Tonnen zugenommen hätten.

Besser stellt sich dagegen die Nachfragesituation beim Gold dar.

Laut der Royal Bank of Scotland nahm die mengenmäßige Nachfrage nach Gold im dritten Quartal 2008 gegenüber dem Vorjahresquartal um 18% zu, was vor allem mit einem gestiegenen Bedarf aus der Schmuckindustrie und der Flucht vieler Anleger in Sachwerte zu tun habe. So nahm der Bedarf aus der Schmuckindustrie um 8% gegenüber demselben Quartal in 2007 zu. Den Hauptteil an der gestiegenen Nachfrage (+121%) nach dem gelben Metall nahm nach Angaben der Royal Bank of Scotland jedoch der private Sektor ein, der vornehmlich im September vor allem Gold in Münzen- und Barrenform zu horten begann.

Vergleicht man die ersten drei Quartale 2008 mit denen des Vorjahres, so lässt sich ein minimaler mengenmäßiger Nachfragerückgang verzeichnen. Wertmäßig konnte die Goldnachfrage in den ersten drei Quartalen dieses Jahres allerdings - auf Grund der höheren Goldpreise - um satte 29% zulegen. Trotz einer regelrechten Nachfragewut im dritten Quartal sank und sinkt der Goldpreis seit dieser Zeit von über 900 auf unter 750 USD. Und das, obwohl die Zentralbanken laut der Royal Bank of Scotland weniger Gold verkauften als ursprünglich angenommen und auch weniger als nötig wäre um den Preis bei der gleichzeitig aufgetretenen Nachfrage derart hinunter zu schrauben.

Nicht, beziehungsweise nicht so schnell für möglich gehalten hatten viele Anleger wohl die Tatsache, dass Rohöl wieder in den Bereich um die 50 USD je Barrel fallen könnte. Jedoch setzen fallende Aktienmärkte und anhaltende Sorgen vor einer weiteren Abschwächung der Nachfrage den Ölpreis weiter unter Druck, sodass es den Preis für ein Fass Brent sogar unter die magische 50 USD Marke drückte. Doch wie geht es nun weiter beim Öl, welches eigentlich in Richtung Winter traditionell anziehen sollte. Dass gekaperte Öltanker am Horn von Afrika dazu führen könnten, dass Tankschiffe nicht mehr durch den Suezkanal, sondern stattdessen um das Kap der Guten Hoffnung fahren müssten und sich dies in höheren Fracht- und Versicherungskosten niederschlagen dürfte mag sicher richtig sein, nur ob das global zu einem höheren Ölpreis führen wird, darf doch stark bezweifelt werden.

Im Endeffekt hängt auch beim Rohöl alles am altbekannten Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Fällt die Nachfrage fällt auch der Angebotspreis und umgekehrt - zwar nicht zwangsläufig (auch hier kann mit Derivaten so einiges “geregelt“ werden), jedoch in einem bestimmten nachvollziehbaren Maße. Es ist jedoch nicht so, dass weltweit die Nachfrage nach Öl gegen Null geht, so wie es viele sogenannte “Experten“ panikartig verbreiten. So sind beispielsweise in Japan die Rohölimporte im Oktober 2008 um 2,6% gegenüber dem Vorjahr auf 4,03 Mio. Barrel pro Tag gestiegen. Nichtsdestotrotz zeigen auch beim Öl-Expertenanalysen keinen einheitlichen Trend auf.

Was bleibt nun von dieser Woche übrig? Wohl am ehesten das, was viele Rohstoffexperten schon seit Monaten, wenn nicht Jahren predigen: Der einzige Rohstoff, der über kurz oder lang über alle anderen triumphieren wird, ist Gold. Auch wenn Gold in den letzten Wochen arg gescholten wurde (über mögliche Hintergründe haben wir mehrmals ausführlich berichtet), so scheint sich doch nun zumindest beim gelbglänzenden Metall ein Boden gefunden zu haben, von dem aus es sein zweifellos vorhandenes Potential ausspielen kann.


© Tim Roedel
Die Rohstoff-Woche





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