Die Rohstoff-Woche - KW 05/2010: Die Renaissance der Kernkraft - Uran im Fokus
Diese Aussagen Obamas kommen genau zum richtigen Zeitpunkt, denn just vor einigen Tagen präsentierte der Internationale Verband der Kernenergie die neuesten Zahlen zur Entwicklung des Kernkraftsektors.
Demnach blieb in 2009 die Zahl der weltweit operierenden Kernreaktoren gleich. Diese umfasste demnach wie schon zu Beginn von 2009 436 Anlagen. Einen sprunghaften Anstieg verzeichneten jedoch die sich im Bau befindlichen Kernreaktoren. Die Anzahl dieser stieg von zuletzt 43 auf jetzt 53. 9 dieser 10 in 2009 begonnenen Neubauten entstehen in China, eine in Indien.
Noch weitaus signifikanter ist jedoch die Entwicklung im Bereich der geplanten und beantragten neuen Atommeiler. Hier stieg die Anzahl neu geplanter Reaktoren weltweit von 374 zu Beginn von 2009 auf 469 zu Beginn diesen Jahres.
Übrigens gehen nun auch immer mehr Erdöl-produzierende Länder dazu über, vermehrt auf Atomkraft zu setzen und damit die Abhängigkeit von fossilen Energieerzeugern zu vermindern. So unterzeichneten beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate (achtgrößte Erdölfördernation) Ende 2009 ein Abkommen mit einem Konsortium unter der Führung der Korea Electric Power Corporation (KEPCO) zum Bau von 4 neuen 1.400MWe Leistung erzeugenden Reaktoren. Diese sollen zwischen 2017 und 2020 ans Netz gehen.
Und auch Jordanien will bereits bis 2020 ein 750 bis 1.100 Mwe Leistung erzeugendes Kernkraftwerk am Roten Meer im Süden des Landes zum Laufen bringen. Dazu unterzeichnete die jordanische Energiebehörde im Laufe der vergangenen Woche ein Abkommen mit Spanien, das Jordanien bei der Entwicklung von Bauplänen und der Konstruktion des Reaktors helfen soll. Zuvor holte man sich bereits Experten aus Frankreich, China, Südkorea, Kanada, Russland, dem Vereinigten Königreich und Argentinien ins Boot. Das Ganze verdeutlicht zum Einen eine steigende Bereitschaft von immer mehr Staaten, auf eine kostenmäßig konkurrenzfähige Atomkraft zu setzen und zum Anderen auf multinationale Expertisen zurückzugreifen.
In die selbe Richtung geht auch eine Meldung aus Russland. Demnach hat das russische Parlament in der abgelaufenen Woche ein 4,4 Mrd. USD umfassendes Programm verabschiedet, mit dem in den nächsten 6 Jahren ein erneuter Anlauf zur Entwicklung einer neuen Generation an so genannten “Schnellen Brütern“ (Erläuterung siehe unten) auf den Weg gebracht werden soll. Die staatliche Firma Rosatom geht davon aus, dass die ersten Kernreaktoren dieser Bauart ab 2025 kommerziell genutzt werden können.
Weniger gut läuft es derweil in Japan. Dort musste Mitte Juli 2007 das Kashiwazaki-Kariwa-Atomkraftwerk von Tokyo Electric Power Co. (TEPCO) alle 7 Reaktoren herunterfahren. Grund war ein Erdbeben der Stärke 6,8, dass die weltweit größte Atomkraftanlage ernsthaft beschädigte (wir berichteten ausführlich). In dieser Woche konnte mit Unit 6 nun der zweite der insgesamt 7 Reaktoren wieder den Betrieb aufnehmen. Nach nunmehr zweieinhalb Jahren seit den Erdstößen stehen mögliche Daten für einen Restart der übrigen 5 Reaktoren jedoch weiterhin in den Sternen.
Hätten Sie’s gewusst?:
Ein Brutreaktor ist ein Kernreaktor, der nicht nur zur Energiegewinnung, sondern gleichzeitig zur Erzeugung weiteren spaltbaren Materials dient.
Dieser Reaktortyp wird Schneller Brüter genannt, weil bei der Kernspaltung in seinem Inneren schnelle Neutronen zum Umwandeln von Uran-238 in Plutonium 239 eingesetzt werden. Uran-238 ist schwieriger spaltbar, kommt aber in der Natur wesentlich häufiger vor als Uran-235. Führt man Neutronen dem Uran-238 zu, entsteht daraus Plutonium, welches leicht zu spalten ist. Nach heutigem Stand der Technik kann Natur-Uran im Schnellen Brüter etwa 60 mal besser ausgenutzt werden als in Leichtwasserreaktoren.
Der “Schnelle Brüter“ produziert also im laufenden Betrieb selbst das für die Kernspaltung notwendige Plutonium 239. Da Plutonium aber auch für die Herstellung von Atomwaffen gebraucht wird, ist der “Schnelle Brüter“ eine Schnittstelle von “friedlicher“ und militärischer Atomtechnologie. Das nie fertiggestellte, einzige deutsche Kraftwerk mit dieser Technik in Kalkar hatte eine Ladung von über einer Tonne dieses waffenfähigen Plutoniums im Reaktorkern.
Die Auswirkungen eines Super-GAU des Schnellen Brüters liegen etwa fünfmal höher als bei anderen AKW-Typen, da es durch die hohen Plutoniummengen zu einer atombombenähnlichen Explosion kommen kann. Wohl auch gerade deshalb und wegen einer erhöhten Störanfälligkeit gibt es weltweit bislang nur Testanlagen mit der Brütertechnologie. Die fortgeschrittensten Forschungsprogramme für schnelle Brüter besitzen dabei Russland und die USA.
Das Zitat der Woche:
“Wenn irgendwo ein Trafo durchbrennt, muss man nicht gleich die ganze Atomkraft in Frage stellen.“ - Peter Ramsauer (* 10. Februar 1954 in Traunwalchen) ist seit dem 28. Oktober 2009 Bundesverkehrsminister im Kabinett Merkel II. 2005 bis 2009 war er Vorsitzender der CSU-Landesgruppe und Erster Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Ramsauer gebrauchte das obenstehende Zitat in seiner Funktion als CSU-Landesgruppenchef am 16. Juli in der „Passauer Neuen Presse“ zur Diskussion um die damaligen Pannen im südöstlich von Hamburg an der Elbe gelegenen Atomkraftwerk Krümmel.
In diesem Sinne eine erfolgreiche Rohstoff-Woche!
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© Tim Roedel
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